Von wegen Alter – Beruf und Karriere prägen unsere Persönlichkeit
“Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an.”
Mit diesem Lied brach die Klagenfurter Schlagerlegende Udo Jürgens schon 1977 mit der festen Meinung, dass wir eine Veränderung in Persönlichkeit und Lebensstil nur in jungen Jahren erfahren. Wie sich herausstellte, lag er damit vollkommen richtig.
Charakterforschung auf Irrwegen
Noch vor kurzer Zeit wagte niemand an der gängigen Lehrmeinung zu rütteln, dass jegliche Veränderung in unserer Persönlichkeitsentwicklung innerhalb der ersten 30 Jahre abgeschlossen ist. Robert McCrae und Paul Costa, zwei renommierte Charakterforschungs-Pioniere, trafen in den 1980er Jahren die Annahme, dass sich unsere Persönlichkeit im Laufe des Lebens stabilisiere.
Ausbildung, Beruf, Karriere, Familie, Schicksalsschläge – all das hätte nur nachrangigen Einfluss, welche Charaktereigenschaften sich als dominant erwiesen. Viele Jahre vermuteten Wissenschaftler und Psychologen, dass wir unseren Genen ausgeliefert seien. Eine Veränderung unserer Persönlichkeit sei in späten Jahren nur in Ausnahmefällen möglich.
Langzeitstudie mit erstaunlichem Ergebnis
Seit mehr als 30 Jahre verfolgen Forscher der Humboldt-Universität Berlin die Entwicklung von rund 30.000 Personen. Jule Specht, Professorin für Persönlichkeitspsychologie wertet diese Daten aus und kam zu einer erstaunlichen Erkenntnis.
Selbst im Alter von 60 Jahren vollzieht jeder Fünfte noch einmal eine starke Veränderung in seiner Persönlichkeit. Eine Erkenntnis, die vor allem für ein lebenslanges Lernen von großer Bedeutung ist. Die Veränderung ist häufig so gravierend wie in der Pubertät, der Ausbildung oder im Beruf. Zudem zeigt die Studie, dass Beruf und Karriere stärkere Veränderungsfaktoren darstellen, als familiäre Ereignisse. Wer auf lebenslanges Lernen setzt und seinen Geist aktiv hält, hat bis ins hohe Alter gute Karten.
Ausbildung als Gelegenheit
Laut Jule Specht tritt die größte Persönlichkeitsentwicklung bei der Ausbildung und dem Eintritt in den Beruf ein. Abgeschlossen ist sie aber nie. In der Ausbildung sind junge Personen zum ersten Mal damit konfrontiert, soziale Erwartungen an ein bestimmtes Berufsbild zu erfüllen.
Angehende Berufsanfänger sind gut beraten, sich ihren künftigen Arbeitgeber genau auszusuchen. Die Unterstützung, die sie während der Ausbildung erhalten, wirkt sich stark auf die Veränderung der eigenen Persönlichkeit aus. Wer mitbestimmen darf und viele Weiterbildungsmöglichkeiten erhält, erzielt einen Gewinn für das Unternehmen und sich selbst.
Chancen schaffen durch lebenslanges Lernen
Viele Menschen nutzen Weiterbildungsmöglichkeiten im Beruf, um ihre Karriere voranzutreiben. Neben der Karriere sollten wir jedoch auch an unser privates Leben denken. Das Stichwort lautet: lebenslanges Lernen. Selbst mit 60 oder 70 Jahren ist es noch nicht zu spät, eine neue Sprache zu lernen, Musikunterricht zu nehmen oder ein neues Hobby zu beginnen.
Durch lebenslanges Lernen schaffen wir uns Chancen im Leben und erweitern unsere geistigen Fähigkeiten. Niemand weiß, welche Talente uns im hohen Alter einmal die größte Freude bereiten. Ob Sie als begabter Salsa-Tänzer die Damenwelt im Seniorenheim beeindrucken, Ihren Enkeln Computerkenntnisse beibringen oder ob Ihre handwerklichen Fähigkeiten in der ganzen Nachbarschaft gefragt sind – das liegt nur daran, wie viel Zeit sie für ein lebenslanges Lernen einplanen. Eines ist sicher: es ist nie zu spät, etwas Neues anzufangen.
Ihr Dirk Eckart